Veränderungen im Gesundheitswesen: Was tun, damit Beschäftigte nicht den Anschluss verlieren?
Es gibt wohl wenige Berufsfelder, die aktuell so stark von Veränderungen und Spannungen geprägt sind wie das Gesundheitswesen. Steigender Fachkräftemangel und zunehmender Kostendruck auf der einen, immer mehr Pflegebedürftige und wachsende Qualitätsanforderungen an die Pflegenden auf der anderen Seite. Dieses Spannungsfeld stellt Gesundheitseinrichtungen wie Pflegedienste oder Krankenhäuser nicht selten vor eine Zerreißprobe. Zum Wandel gezwungen, müssen sie ihre Strukturen und Prozesse möglichst effektiv und effizient gestalten.
„Diese Veränderungsprozesse werden dabei nicht selten so radikal und rasant vorgenommen, dass die Beschäftigten den Anschluss verlieren“, weiß Nicolas Düppengießer, der als Diplom-Pflegewirt und Master of Business Adminstration heute als kaufmännischer Direktor eines Krankenhausunternehmens in Aachen arbeitet. In der Masterarbeit seines MBA-Fernstudiums an der Hamburger Fern-Hochschule hat der Absolvent untersucht, wie Krankenhäuser mit Veränderungsprojekten umgehen und wie Einrichtungen die Bereitschaft ihrer Beschäftigten zu Veränderungen gezielt fördern können.
Veränderungen als Aufgabe: vorausschauendes Managementhandeln
Wenn die Beschäftigten das Gefühl haben, angesichts der vielen Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld den Überblick und schließlich auch den Anschluss zu verlieren, dann sei das Resultat oft Unzufriedenheit und abnehmende Leistung, sagt Düppengießer. Dann müsse auch von Leitungsseite gegengesteuert oder besser noch antizipiert werden: „Gute Manager zeichnen sich dadurch aus, dass sie diese Risiken einkalkulieren und durch verschiedene Maßnahmen vorbeugen.“ Welche Maßnahmen das im Einzelnen sein können, hat Düppengießer in seiner Abschlussarbeit untersucht.
Per Online-Interviews fragte er insgesamt 440 Mitarbeiter mehrerer Krankenhäuser in Hessen unter anderem danach, welche Faktoren für sie am wichtigsten sind, wenn Veränderungsprozesse erfolgreich verlaufen sollen. Demnach zählen die Faktoren gerechter Umgang, berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit, klare Verteilung von Verantwortlichkeiten, angemessene Personalausstattung sowie eine aktive Vorbildrolle von Vorgesetzten zu den am häufigsten genannten. Man könne an diesen Ergebnissen sehen, dass es im Kern oft um gute Kommunikation und Information gehe. „Das sind fast alles Erfolgsfaktoren, die von Unternehmen relativ kostenneutral gefördert und geschaffen werden könnten – im Verhältnis zu den Kosten bieten solche Maßnahmen für alle Mitarbeitergruppen den größten Nutzen“, fasst Düppengießer einige Ergebnisse zusammen. Wichtig sei es hier vor allem, die Mitarbeiter möglichst frühzeitig und aktiv in Veränderungsprozesse einzubinden, zum Beispiel über Workshops und Informationsveranstaltungen.
Veränderungen als Chance: Professionalisierung des Pflegeberufs
Während also ein hohes Maß an professioneller Steuerung, transparenter Kommunikation und Integration der Mitarbeiter notwendig ist, damit die Beschäftigten in Zeiten des Wandels nicht den Anschluss verlieren, liegt eine weitere Herausforderung für Düppengießer in der Akzeptanz und Anerkennung des Pflegeberufs selbst: „Bei unseren europäischen Nachbarn ist diese oft schon deutlich stärker ausgeprägt, und die Beschäftigten in der Pflege arbeiten auf Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen.“ Hier hinke Deutschland noch hinterher, doch immerhin würden die fortschreitende Professionalisierung und Autonomie des Berufs – etwa durch die Gründung von Organen wie den Pflegekammern – ein wichtiges Zeichen setzen. „Diese Entwicklungen sind für den Pflegeberuf sehr positiv. Dadurch wird sich eine höhere Anerkennung und Wertschätzung des Pflegeberufs irgendwann auch in Deutschland etablieren“, ist sich der HFH-Absolvent sicher.
Professionalisierung eröffnet zahlreiche Berufsperspektiven
Die Professionalisierung der Ausbildung und die steigende Autonomie des Berufs biete für Berufsanfänger viele Chancen. „Für lernwillige und durchsetzungsfähige Pflegefachkräfte mit einem akademischen Abschluss stehen viele Wege offen.“ Neben den klassischen Karrierepfaden im Management, in der Wissenschaft und der Lehre seien Hochschulabsolventen beispielsweise auch für spezialisierte Beratungsunternehmen, Medizintechnik- und Pharmahersteller oder Prüforganisationen (TÜV, Medizinischer Dienst) interessant. Immer wichtiger werde auch das Thema Digitale Medizin. „Wer sich in diese Richtung orientiert, hat auf dem Arbeitsmarkt sehr gute Chancen. In der Regel wird zusätzlich zum Studienabschluss eine fundierte Ausbildung und Berufserfahrung erwartet. Deswegen sollten Studierende den Kontakt zur Praxis beibehalten“, rät Düppengießer Studierenden in dieser Branche.
Literaturtipp:
Düppengießer, Nicolas (2016): Change Management im Krankenhaus. Zwischen Wollen und Widerstand - eine Studie zur Veränderungsbereitschaft der Beschäftigten am Beispiel kommunaler Krankenhäuser in Hessen. München. GRIN Verlag. (Masterarbeit an der Hamburger Fern-Hochschule. Leseprobe und Download)