Oswald Kiechle

Das Fernstudium trotz Handicap meistern

Oswald Kiechle arbeitet bei einem ambulanten Pflegedienst und studiert an der HFH seit 2018 Gesundheits- und Sozialmanagement. Er ist nicht nur vom Fernstudium selbst überzeugt, sondern schätzt insbesondere die freiwilligen Präsenzveranstaltungen im HFH-Studienzentrum München sehr. Da er seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist, benötigt er Unterstützung, um seinen persönlichen und studentischen Alltag zu bewältigen.

Wie er sich selbst und das berufsbegleitende Studium organisiert und warum er an den Wochenenden trotz erhöhtem Aufwand gerne und regelmäßig vom österreichischen Sulz ins Studienzentrum München fährt, erzählt der 30-Jährige im Interview.

Junger Mann mit Handicap und Kopfstab an Schreibtisch

Hallo Herr Kiechle, warum haben Sie sich für ein Fernstudium an der HFH entschieden?

Ich habe mich dafür entschieden, weil ich sonst umziehen oder regelmäßig hätte pendeln müssen. Mit dem Fernstudium kann ich mir außerdem sehr viel selber einteilen und bleibe flexibel. Das ist wichtig für mich, da ich zum einen in der Finanzabteilung eines ambulanten Pflegedienstes arbeite und zum anderen selbst auf pflegerische Hilfe angewiesen bin und zum Beispiel regelmäßig zur Physiotherapie gehen muss.
 

Durch Ihr körperliches Handicap benötigen Sie bei vielen Dingen externe Unterstützung. Wie organisieren Sie das?

Durch meine starke körperliche Einschränkung brauche ich bei fast allen Tätigkeiten Unter­stützung. Den Hauptanteil der Pflege übernimmt meine Mutter. Zudem bekomme ich Hilfe von der Organisation „Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz“. Ich habe aufgrund meiner Pflegestufe 20 Stunden pro Woche zur Verfügung, die ich auf drei verschiedene Assistent_innen aufteile.
 

Wie helfen Ihnen die Assistent:innen konkret?

Die Assistenz hilft mir am Morgen beim Aufstehen, bei Behördenterminen oder anderen organisatorischen Sachen, die z.B. das Studium betreffen. Studienbriefe durchlesen und Lernen mache ich selbständig. Bei der Erstellung von Zusammenfassungen, dem Beschriften von Karteikarten und Organisation von Lernmaterialien hilft mir meine Assistenz.

Junger Mann mit Handicap und Kopfstab von der Seite

Der Kopfstab ermöglicht Oswald Kiechle das Arbeiten mit der Tastatur. (Bild: Matak Studios)

Wie läuft es ab, wenn Sie eine Präsenz besuchen?

Die Assistenz holt mich Zuhause ab, dann fahren wir gemeinsam mit meinem Auto ins Studienzentrum nach München. Dort werden alle Hilfsmittel bereitgestellt, die ich zum Schreiben benötige. Das sind der Laptop mit zusätzlicher Funktastatur in erhöhter Position und der Kopfstab als Hilfe zum Tippen.

Während der Präsenzveranstaltung benötige ich kaum bis keine Unterstützung, darum ist meine Assistenz während­dessen meist etwas in der Stadt unterwegs oder liest etwas, so dass sie erst wieder dabei ist, wenn ich Hilfe beim Essen benötige. Bei kleineren Sachen helfen mir auch meine Mitstudent_innen. Nach der Unterrichtseinheit fahren wir entweder direkt nach Hause oder unternehmen noch etwas in München. Die Mitarbeiter_innen des Studienzentrums sind sehr hilfsbereit und bei allen Anliegen stets bemüht, mich zu unterstützen.
 

Und bei den Prüfungen?

Die HFH unterstützt mich mit der Bereitstellung eines Laptops, um die Prüfungsaufgaben zu bearbeiten. Meine Prüfung wird auf einem USB-Stick gespeichert, zusammen mit den Prüfungsunterlagen abgegeben und weitergeleitet. Außerdem bekomme ich für Prüfungen zusätzlich Zeit, falls ich diese benötige. Das klappt alles sehr gut und unkompliziert.

Außer zu den Prüfungen sind die Präsenzen an der HFH freiwillig. Trotz Aufwand fahren Sie regelmäßig ins Studienzentrum München – warum?

Die HFH habe ich bewusst gewählt, weil sie zusätzlich zum Selbststudium Lehreinheiten in den Studienzentren anbietet. Diese helfen mir, den Prüfungsinhalt auf eine andere Art aufzuarbeiten, anstatt nur durch das Lesen der Studienbriefe. Anwesenheitspflicht gibt es nur bei Prüfungen und komplexen Übungen. Durch die Veranstaltungen sitze ich nicht nur alleine Zuhause am Lernen sondern habe auch soziale Kontakte zu den anderen Studierenden. Den Austausch mit meinen Kommiliton_innen schätze ich sehr. Es wird darüber gesprochen wer schon was gelernt hat und wo es Schwierigkeiten gibt, oder es werden Tipps ausgetauscht, wie es einfacher geht.

Was sind aus Ihrer Sicht Dinge, die für Menschen mit körperlichen Einschränkungen im Bildungsbereich anders laufen sollten?

Flexibilität bei der Zeiteinteilung, wie ich sie bei meinem Arbeitgeber und an der HFH habe, ist sehr hilfreich,  wenn man viel planen und koordinieren muss. Allgemein sollten Personen mit körperlichen Einschränkungen gezielt dort Unterstützung bekommen, wo sie es benötigen: Wichtig und sinnvoll sind zu Beispiel behindertengerechte Toiletten und adaptierbare Einrichtung wie höhenverstellbare Büromöbel.

Was raten Sie Studienanfängern?

Nutzt die Präsenzveranstaltungen so viel möglich! Die Mitarbeiter_innen der HFH sind sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, also zögert nicht mit Fragen bei Unklarheiten oder wenn ihr Unterstützung als Mensch mit körperlicher Einschränkung benötigt. Geschaffte Prüfungen und abgeschlossene Semester sollten gebührend gefeiert werden! Man sollte nicht zu lange überlegen, ob ein Studium wirklich möglich ist. Einfach ausprobieren und den Schritt wagen.

Vielen Dank für Ihre Antworten!
 

Bachelor Gesundheits- und Sozialmanagement