Karriere

Wie sieht der Arbeitsmarkt der Zukunft aus?

Prof. Dr. Irina Kummert ist Expertin für People & Culture Management und weiß, welche Kompetenzen morgen zählen – und was das für Bildung, Bewerbung und berufliche Entwicklung bedeutet

Mareike Bock

Der Arbeitsmarkt verändert sich rasant – neue Technologien, flexible Arbeitsmodelle und ein wachsender Fokus auf unternehmenskulturelle Werte bestimmen die Entwicklungen. Heutige und zukünftige Mitarbeitende müssen nicht nur digitale Kompetenzen mitbringen, auch soziale und kommunikative Skills prägen zunehmend die Anforderungen an Bewerbende.

Welche Qualifikationen werden in den kommenden Jahren besonders gefragt sein? Wie verändert sich der Blick der Unternehmen auf Bildungswege und persönliche Kompetenzen? Diese und weitere Fragen beantwortet uns Prof. Dr. Irina Kummert, Expertin für Personalmanagement, im Interview.

Prof. Dr. Irina Kummert

Prof. Dr. Irina Kummert hat für die HFH den deutschlandweit ersten Studiengang People & Culture Management (B.A.) entwickelt, der am 1. Juli 2025 erstmalig startet. Sie analysiert seit vielen Jahren, wie Organisationen sich verändern – und was das für die Menschen in den Organisationen bedeutet.

Im Gespräch gibt sie Einblick in die aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt und erklärt, warum individuelle Bildungswege – etwa ein berufsintegriertes Fernstudium – zukünftig ein entscheidender Vorteil für Bewerbende sein können.

Frau Prof. Dr. Kummert, der Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr stark gewandelt: Er ist von einem Arbeitnehmer- zu einem Arbeitgebermarkt geworden. Bewerbende müssen sich wieder mehr Gedanken machen, was sie Unternehmen „anbieten“ können.
Wenn Sie auf die aktuellen Trends und Dynamiken blicken: Wie wird sich der Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren entwickeln – und was bedeutet das für Bewerbende und Arbeitnehmende?

Ihre Beobachtung ist korrekt. Diese Wellenbewegungen gab es schon immer – das ist vergleichbar mit klassischen Konjunkturzyklen. Das Interessante daran ist, dass der Zyklus, innerhalb dessen sich ein Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt entwickelt und wieder zurück, deutlich kürzer geworden ist. Das heißt, Veränderungen oder Wechsel vollziehen sich in einem höheren Tempo.

Für Bewerbende bedeutet das, dass sie in der Lage sein müssen, sich schneller anzupassen und ihre eigene Strategie flexibler zu gestalten. Für Arbeitnehmende bedeutet es, dass sie noch mehr darauf achten müssen, wettbewerbsfähig zu bleiben, zum Beispiel indem sie sich weiterbilden.

Beide Statusgruppen müssen zyklusunabhängiger werden, wenn sie sich langfristig erfolgreich aufstellen wollen – sowohl im Kopf als auch auf dem Papier.

Im Zuge des New Work ändert sich auch die Art und Weise, wie Menschen arbeiten: eigenverantwortlich, flexibel, oft in dezentralen Teams. Das stellt bestimmte Kompetenzen, etwa Selbstorganisation und Eigenverantwortung, in den Vordergrund. Wie verändert sich die Rolle von solchen autonomiebezogenen Kompetenzen im Arbeitsalltag – und welchen Stellenwert messen Sie diesen bei der Auswahl von neuen Mitarbeitenden bei?

Autonomiebezogene Kompetenzen wie Selbstorganisation und Eigenverantwortung waren schon immer wichtig. Allerdings: Wenn wir uns von unseren Mitarbeitenden wünschen, dass sie eigenverantwortlich arbeiten und sich selbst organisieren, dann muss auf der Arbeitgeberseite die Bereitschaft da sein, loszulassen und zu vertrauen. Zudem muss ich als Unternehmen ein Umfeld schaffen, das es den Menschen in meiner Organisation leicht macht, Eigenverantwortung übernehmen zu wollen.

Das funktioniert am besten, wenn ich als Mitarbeiterin eine klare Strategie des Unternehmens und die Sinnhaftigkeit meines Wirkens erkenne. Nur wenige Menschen sind so resilient, dass sie eigenverantwortlich im Nebel stochern und sinnbefreites Zeug erledigen möchten.

Ich sehe das als Geben und Nehmen: Als Arbeitnehmerin muss ich bereit sein, für das was ich tue Verantwortung zu übernehmen. Das Unternehmen muss dafür den passenden Rahmen – zum Beispiel in Form einer überzeugenden Unternehmenskultur schaffen. Wir suchen uns meistens Menschen aus, die zu uns passen – ob diese Aussage ein Kompliment ist oder nicht, entscheidet sich im Verlauf der Zusammenarbeit.

Sie meinen also, dass nicht nur Arbeitgebende sondern auch Arbeitnehmende genau hinschauen sollten, was das Gegenüber zu bieten hat, damit sich Potentiale auch entfalten und Kompetenzen gewinnbringend eingesetzt werden können?

Es geht nicht nur darum, zu schauen, was die jeweils andere Seite zu bieten hat, sondern vielmehr darum, genau hinzusehen, wer der jeweils andere ist und wer er sein will. Denn nur wenn Arbeitgebende und Arbeitnehmende sich gegenseitig als Persönlichkeiten mit individuellen Werten, Zielen und Entwicklungspotentialen wahrnehmen, können Kompetenzen sinnvoll und nachhaltig zusammenfinden – und echte Potenziale zur Entfaltung kommen. Damit das gelingt, ist Zuhören schonmal ein sehr guter Anfang. Vielfach wird mehr gesendet, als zugehört. Im Ergebnis wissen wir nicht, wen wir vor uns haben und treffen Fehlentscheidungen.

Da nicht mehr nur Hard Skills und die früher eher geradlinigen Bildungswege zählen, verliert auch der klassische Lebenslauf an Bedeutung. Individuelle Bildungswege werden immer sichtbarer. Wie schätzen Sie die Chancen von Bewerbenden ein, die solche individuellen Wege wählen – und sich etwa für ein Fernstudium parallel zu Beruf und Familie entscheiden?

Individuelle Bildungswege werden deshalb immer sichtbarer, weil wir anfangen zu verstehen, dass es weniger entscheidend ist, was jemand getan hat, sondern warum. Wenn das Warum passt, dann wird das Was nachvollziehbarer.

Abgesehen davon kommt es darauf an, welchen Impuls ein Mensch einer Organisation geben, welchen Mehrwert er oder sie stiften kann.

Ihre Frage nach dem Fernstudium möchte ich so beantworten: Jemand, der sich für eine berufsbegleitende Weiterbildung entscheidet, der zeigt, dass er oder sie es wirklich will. Das ist auch für Arbeitgeber ein sehr positives Signal.

Auch Unternehmen befinden sich angesichts der Entwicklungen am Arbeitsmarkt in einem permanenten Wandel – technologisch, kulturell und strukturell. Welche Qualifikationen und welche Soft Skills werden für Bewerbende in Zukunft besonders entscheidend sein?

Erstens: Die Fähigkeit, mit Unsicherheit umgehen zu können. Ich muss nicht wissen, was hinter der Kurve auf mich wartet, aber ich sollte wissen, wie ich damit umgehe, wenn es nicht das ist, womit ich vielleicht gerechnet habe.

Das führt uns zu zweitens: Der Fähigkeit, unterschiedliche Szenarien zu antizipieren und Strategien dafür zu entwickeln. Wer sich auf das, was kommen kann mental vorbereitet hat, der ist besser darin, adäquat zu agieren. Das ist auch im Unternehmensinteresse.

Für die Fähigkeit, einen solchen flexiblen Blick in die Zukunft zu entwickeln, gewinnt People & Culture Management an strategischer Relevanz. In diesem Rahmen bekommen dann auch die sogenannten „Future Skills“ zunehmende Bedeutung. Welche „Future Skills“ sind aus Ihrer Sicht künftig elementar – gerade auch in interdisziplinären und hybriden Teams?

Die Fähigkeit, asynchron zu agieren ist aus meiner Sicht elementar. Das ist das, was Schlagzeuger oder Tänzer sehr gut können. Wer einmal als Rechtshänder versucht hat, links leserlich zu schreiben, der weiß, was ich meine.

Auf den Arbeitskontext übertragen bedeutet das konkret, dass ich versuchen muss, in meinem traditionellen Wissens-Setting noch besser zu werden und mich gleichzeitig zu innovieren, indem ich aus meinem Profil heraus neue Kompetenzen oder ein neues Einsatzgebiet für mich entwickle:

Wenn sich zwei Menschen nach 10 Jahren treffen und einer sagt zum anderen: Du hast Dich überhaupt nicht verändert, dann ist das aus meiner Sicht kein Kompliment.

Zusätzlich wesentlich ist für mich die Fähigkeit, den eigenen Standpunkt zu überdenken, wenn andere die besseren Argumente haben. Wenn wir solche, oft als „Störung“ empfundene, Situationen zulassen und uns selbst nicht zu wichtig nehmen, dann entsteht Innovation.

Damit geben Sie mir ein wichtiges Stichwort: Wandlungsbereitschaft. In unserer heutigen Zeit ist Wandel keine Ausnahme mehr, sondern zur Konstante geworden. Dynamische Arbeitsumfelder erfordern auch, dass man bereit ist, dazuzulernen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Das gilt längst nicht mehr nur für Führungspositionen. Wie erkennen Unternehmen heute, ob jemand die nötigen Fähigkeiten dafür mitbringt?

Das gelingt in erster Linie dadurch, dass jemand fragt. Wie eben schon gesagt – nach meiner Beobachtung wird sehr viel gesendet. Den Unterschied macht es, wenn man nicht nur sendet, sondern fragt und sich dann auch für die Antworten des Gegenübers interessiert. Wenn das passiert, ist das für mich ein Signal dafür, dass jemand bereit ist, über den Tellerrand hinauszuschauen.

Haben Sie zum Abschluss noch einen Tipp, wie Bewerbende sich auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft von ihren Mitbewerbenden noch abheben können?

Studieren Sie People & Culture Management ;-).

Frau Prof. Dr. Kummert, vielen Dank für Ihre Zeit, den spannenden Einblick in Ihr Metier und die wertvollen Tipps!
 

Zukunft gestalten durch Bildung

Das Gespräch mit Prof. Dr. Irina Kummert macht deutlich: Der Arbeitsmarkt der Zukunft stellt nicht nur neue Anforderungen, sondern eröffnet auch neue Chancen – für alle, die bereit sind, Verantwortung für ihre persönliche und berufliche Entwicklung zu übernehmen. Kompetenzen wie Selbstorganisation, Veränderungsbereitschaft und lebenslanges Lernen sind dabei keine abstrakten Schlagworte, sondern konkrete Erfolgsfaktoren. 

Gerade ein flexibles Bildungsmodell wie das Fernstudium bietet die Möglichkeit, genau diese Fähigkeiten unter Beweis zu stellen – und sich so optimal auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der Arbeitswelt von morgen vorzubereiten.

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Glossar

Hard Skills

Hard Skills sind messbare, fachliche Qualifikationen, die durch Ausbildung, Studium oder Berufserfahrung erworben werden. Dazu zählen z. B. IT-Kenntnisse, Sprachfähigkeiten oder juristisches Fachwissen. Sie lassen sich durch Zertifikate oder Abschlüsse nachweisen.

Soft Skills

Soft Skills bezeichnen persönliche, soziale und methodische Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit oder Selbstorganisation. Sie ergänzen fachliches Wissen und sind besonders im zwischenmenschlichen Arbeitskontext entscheidend. Oft beeinflussen sie maßgeblich den beruflichen Erfolg.

Future Skills

Future Skills sind Kompetenzen, die in einer sich wandelnden, digitalisierten Arbeitswelt besonders gefragt sind. Dazu gehören etwa kritisches Denken, Lernbereitschaft, digitale Souveränität und interkulturelle Kommunikation. Sie gelten als Schlüssel zur nachhaltigen Beschäftigungsfähigkeit.

New Work

New Work beschreibt neue Arbeitsformen, die auf Selbstbestimmung, Sinnorientierung und Flexibilität setzen. Der Begriff steht für eine moderne Arbeitswelt, in der Hierarchien abgebaut und innovative Arbeitsmodelle wie Remote Work gefördert werden. Ziel ist es, Arbeit stärker am Menschen auszurichten.
 

HFH Mitarbeiterin Marketing Dr. Mareike Bock
Dr. Mareike Bock