MINT – Qualität im Blick: HFH-Session auf Barcamp der Körber-Stiftung
Interview mit Dr. Bettina Steitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin des HFH Fachbereichs Technik, zum Thema Frauen in MINT Studiengängen und den damit verbundenen Maßnahmen und Herausforderungen.
Beim 6. Treffen der MINT-Regionen-Macherinnen – dem Barcamp zum Thema „MINT – Qualität im Blick“ – am 28.September 2018 moderierte Dr. Steitz eine Session und tauschte sich mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus.
Frau Dr. Steitz, warum haben Sie an dem Barcamp der Körber-Stiftung teilgenommen?
Dr. Bettina Steitz:
Ein Grund für meine Teilnahme am Barcamp der Körber-Stiftung war, dass das Thema Frauen in technischen Studiengängen immer wieder bei uns im Fachbereich und darüber hinaus diskutiert wird.
Wie auch an anderen Hochschulen sind Frauen in unseren technischen Studiengängen unterrepräsentiert. Ein Beispiel: Nur 23% aller Studierenden, die im Wintersemester 2017/2018 in einem ingenieurwissenschaftlichen Fach eingeschrieben sind, sind weiblich.(1) Diese Zahl mag jetzt der ein oder andere als positive Entwicklung mit ansteigender Tendenz verbuchen. Uns im Fachbereich reicht das aber nicht. In meinen Augen wäre eine gute Zahl erst erreicht, wenn Männer und Frauen zu gleichen Teilen in den Studiengängen vertreten sind. Davon sind wir leider noch weit entfernt.
Welche Maßnahmen gibt es bis jetzt?
Dr. Bettina Steitz:
Um es vorwegzunehmen: Eine bundesweit sicher greifende und schnelle Lösung hat niemand für das Problem. Aber es gibt eine Vielzahl an Ideen und Initiativen, die an verschiedenen Stellen ansetzen und bei denen der Erfolg im Kleinen bereits sichtbar ist. Ein viel verfolgter Ansatz ist, Mädchen und Jungen möglichst früh an MINT-Themen heranzuführen, zum Teil schon in den Kitas. Im Alter bis etwa 14 scheint es im Technikinteresse von Jungen und Mädchen nicht die gravierenden Unterschiede zu geben, die sich bei den älteren Jahrgängen abzeichnen. Besonders spannend fand ich zum Beispiel die Karlsruher Technik-Initiative, die an über 40 Schulen fischertechnik-AGs eingerichtet hat. Das Interesse, was bei Jungen und Mädchen dort im Grundschulalter geweckt wird, zeichnet sich dann auch bei den älteren Schülerinnen und Schülern wieder ab. Das Engagement bei den Kleinen zahlt sich hier also aus.
Lässt sich daraus etwas für die Hochschullehre ableiten?
Dr. Bettina Steitz:
Für mich als Mitarbeiterin einer Hochschule, die vor allem berufsbegleitende Studiengänge anbietet, ist natürlich der Bereich der Erwachsenenbildung besonders interessant. Welche Erfahrungen existieren da bereits? Welche Ideen lassen sich evtl. auch im HFH-Konzept umsetzen? Oder auch: Welche Ideen sind vielleicht aus welchen Gründen gescheitert? Auch daraus lässt sich schließlich lernen.
Aus den Berichten einiger erfahrener Lehrkräfte ließ sich ableiten, dass sich Mädchen durchaus für technische Aufgabenstellungen interessieren. Allerdings muss die Technik dafür eher in einen sinnstiftenden Kontext eingebaut sein. Nachhaltigkeit scheint dabei ebenfalls ein wichtiger Faktor zu sein. Diese Aspekte in technische Aufgabenstellungen einzubauen, schließt kein Geschlecht aus und orientiert sich schließlich auch an der Realität. Dies ist ein Ansatz, den wir von HFH-Seite aus bereits in unserem Lehrmaterial umsetzen, wo immer es sinnvoll ist. So zum Beispiel in der aktuellen Überarbeitung des Studienschwerpunkts Produktentwicklung aus dem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen. Der Anspruch eines sinnstiftenden Kontextes ist dabei zugegebenermaßen ursprünglich weniger einer gezielten Förderung des Frauenanteils geschuldet, sondern deckt sich neben den inhaltlichen Anforderungen vielmehr mit den Interessen unserer Studierenden. (2)
Gibt es an der HFH bereits Maßnahmen?
Dr. Bettina Steitz:
Eine der Maßnahmen zur besseren Ansprache von Frauen in unseren Technikstudiengängen ist beispielsweise die gleichberechtigte Ansprache von Männern und Frauen in Wort und Bild.
Das mag banal erscheinen, sollte in seiner Wirkung allerdings nicht unterschätzt werden. Es existieren bereits seit langem anerkannte Studien darüber, dass Frauen zwar oft mit gemeint, jedoch nicht mit gedacht werden. (3) (4)
Neben der Ansprache muss aber natürlich vor allem der Inhalt stimmen. Der große berufliche Nutzen zum Beispiel des Bachelors in Wirtschaftsingenieurwesen wurde vor kurzem sehr gut im Interview mit unserer 1.000sten Absolventin des Bachelorstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen deutlich.
Welche Maßnahmen kann man sich für die Zukunft an der HFH vorstellen?
Dr. Bettina Steitz:
Aus dem Barcamp haben sich einige Kontakte ergeben, die insbesondere in Bezug auf HFH-Initiativen wie z.B. das Schülerstudium hilfreich sein könnten. Insgesamt ist der Bereich der Erwachsenenbildung systembedingt leider sehr spät dran. Wir sind quasi die Nutznießer – oder auch Leidtragenden – der Maßnahmen, die vorher ergriffen oder auch unterlassen werden. Je früher man ansetzt, desto besser scheinen die Erfolgsaussichten, dass sich Mädchen auch über das Grundschulalter hinaus für Technik interessieren und sich nicht von eigentlich veralteten aber dennoch in der Gesellschaft erschreckend präsenten Rollenklischees in der Wahrnehmung und Verfolgung ihrer eigenen Interessen beeinflussen lassen.
Was kann jeder selbst ganz konkret tun?
Dr. Bettina Steitz:
Auf dem Barcamp war immer wieder Thema, dass Schulen oder sonstige Einrichtungen und Initiativen kaum ausgleichen können, was im privaten Rahmen bei der frühen Prägung der Rollenbilder vermittelt wird. Ich selbst habe mir daher vorgenommen, dass das nächste Mädchen, was in meinem Bekanntenkreis Geburtstag feiert, von mir ein Technikspielzeug bekommt. Und vielleicht studiert dieses Mädchen dann ja in ein paar Jahren bei uns Maschinenbau.
Quellen:
(1) https://www.ingenieur.de/karriere/arbeitsleben/frauen-erobern-den-ingenieurberuf/
(2) Deckert, R.; Günther, A. (2018): Anforderungen an das Studium in Wirtschaftsingenieurwesen: Kompetenzen und aktuelle Entwicklungen aus Sicht von Studierenden der HFH Hamburger Fern-Hochschule – Bachelor- und Masterebene im Vergleich. Diskussionsbeiträge Fachbereich Technik, HFH · Hamburger Fern-Hochschule, Nr. 1/2018. URL: https://digitale-skripte.hfh-fernstudium.de/diskussionsbeitraege/html/T-18-01/T-18-01.html
(3) Heise, Elke (2000): „Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen.“ In: Sprache und Kognition - Zeitschrift für Sprach- und Kognitionspsychologie und ihre Grenzgebiete 19(1/2), S. 3-13.
(4) Stahlberg, Dagmar & Sczesny, Sabine (2001): „Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen.“ In: Psychologische Rundschau 52(3), S. 131-140.